Literatur, Lyrik

Herr Traudich – eine Relation

Gustave Caillebotte_Detail
Gustave Caillebotte, Rue de Paris, temps de pluie (1877, Detail)

Herr Traudich ging an einem Tag

von Wolken frei und Regen

dorthin, wo niemand Sonne mag

und wo nur Winde fegen.

Er machte Ehre seinem Nam’

und wanderte ohn’ Zaudern.

Als er an jenen Orte kam,

da packte ihn ein Schaudern:

Ringsum erblickte er nur Grau,

kein Gelb, kein Rot, Orange nicht.

Nicht mal ein sattes Dunkelblau,

kein Scheinwerfer, kein Standlicht.

Natürlich war es auch kein Wunder

an einem Ort, wo’s nieselt,

dass Hose, Hemd, sprich: Traudichs Plunder,

vom Regen nass gerieselt.

Herr Traudichs Plan war, hier vor Ort

den Leuten, die dort leben

wohl wollend, aber schnurr-sofort,

ein Lehrstück mitzugeben:

Er wollte diesen armen Menschen,

die nichts als Regen kennen

und sturmzerhackte Fichtentännchen

den Weg zur Sonne nennen.

Ganz gut gelaunt trotz trübem Pusten

ging pitschnass er auf Straßen,

wo er nichts hörte als nur Husten

und schnupfverstopfte Nasen.

traudichHerr Traudich sprach zwei Männer an,

die rote Nasen hatten:

„Sagt, Männer, mir, sagt mir als Mann,

habt Ihr den Wind nicht satte?“

„Was meinst für einen Wind nur du

und warum soll er satt sein?

Pack’ dir halt deine Ohren zu

und deine Nase warm ein.“

So sprachen sie und zogen fort

der Regen fiel vom Himmel.

Was für ein sonderbarer Ort –

an Häuserwänden Schimmel.

Zwei Frauen kamen ihm entgegen

mit feuerroten Wangen.

„Sagt, Frauen, nervt Euch nicht der Regen,

der Himmel – stets verhangen?“

„Die wen’gen Tropfen, lieber Mann,

die kann die Frucht gebrauchen.

Was alles hier gedeihen kann!

Und Feuer kann nicht rauchen.“

Herr Traudich wagte weiter nun

die Menschen hier zu fragen,

was sie bei solchem Wetter tun

und was zum Grau sie sagen.

Gustave Caillebotte_Detail

Zwei Kinder spielten regennass

von Mütze bis zu Socken!

„Sagt mir, Ihr Kinder, macht das Spaß,

im Matschkasten zu hocken?“

„Wir spielen doch in grobem Sand

in Matsch nicht, nicht in Schlacken!

Hast du denn nicht sofort erkannt,

dass Sandkuchen wir backen?!“

Ganz irritiert zog Traudich weiter

es blies ohn’ Unterlass.

Die Leute blieben dennoch heiter,

sie lebten nass – mit Spaß ?!?!

Doch Traudich fror nur, musste niesen

er zitterte am Leibe.

Er wollte weg vom Strömengießen

zurück in seine Bleibe.

Daheim zog er die Kleider aus

und musste eingestehen:

ein jeder fühlt sich dort zu Haus’,

wo Heimatwinde wehen.

(Nic Leonhardt, Herr Traudich  (Ur-Version: Köln 06. Oktober 1996))

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