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Kunst ist die Tochter der Freiheit

Zu allen Zeiten, besonders aber in Zeiten der Krise, sind die Künste Schauplätze und Spielräume kritischer Reflexion und ästhetischer Verhandlung der Zeitläufte. Gleichzeitiges und Ungleichzeitiges vermag die Kunst zu verflechten. Künstler beobachten und verarbeiten, kombinieren und sehen. Darin sind sie den Kindern gleich, die unsere Welt mit dieser Gabe bereisen. Sie sehen das Große im Kleinen, die Kristallisation und Sprengkraft von Momenten. Sie sehen; sind Seher. Visionäre auch. In Kunst und Spiel zeigen sie, dass sie hinschauen. Wachsam.

Vernetzbarkeit des Seins Gesellschaft RN
Reza Nassrollahi, Vernetzbarkeit des Seins (2012), Einzelbild

Zu keiner Zeit, vor allem aber nicht in Zeiten der Krise, hat die Kunst frei. Und dies gerade weil sie frei ist und befreien kann: von zu viel Rost und Tand, von zu viel Markt und Vanitas. „Die Kunst ist die Tochter der Freiheit“, formuliert Friedrich Schiller 1795  in Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, einer Schrift, die so viel Bezug zur Gegenwart enthält, dass man kaum glauben kann, dass sie 225 Jahre alt ist.

Im zweiten Brief schreibt Schiller:

„Der Lauf der Begebenheiten hat dem Genius der Zeit eine Richtung gegeben, die ihn je mehr und mehr von der Kunst des Ideals zu entfernen droht. Diese muß die Wirklichkeit verlassen, und sich mit anständiger Kühnheit über das Bedürfniß erheben; denn die Kunst ist eine Tochter der Freiheit, und von der Nothwendigkeit der Geister, nicht von der Nothdurft der Materie will sie ihre Vorschrift empfangen. Jetzt aber herrscht das Bedürfniß, und beugt die gesunkene Menschheit unter sein tyrannisches Joch. Der Nutzen ist das grosse Idol der Zeit, dem alle Kräfte frohnen und alle Talente huldigen sollen. Auf dieser groben Waage hat das geistige Verdienst der Kunst kein Gewicht, und, aller Aufmunterung beraubt, verschwindet sie von dem lermenden Markt des Jahrhunderts. Selbst der philosophische Untersuchungsgeist entreißt der Einbildungskraft eine Provinz nach der andern, und die Grenzen der Kunst verengen sich, jemehr die Wissenschaft ihre Schranken erweitert.“

Zu allen Zeiten, besonders aber in Zeiten der Krise, sind die Künste die Rädchen im Betriebe des Denkens – und doch der Sand im Getriebe der Betriebe. Was zählt, wer zahlt? Was nützt, wem nutzt die Kunst, wenn die Welt im Wandel? Alles und allem, weil sie änderlich ist und verändert, Alternativen entwirft zum Denken, Handeln, Sagen. Was können wir wandeln? Jetzt und künftig? Damit es besser wird. Für Dich. Mich, für alle. Die Frage kann sich jede/r stellen. Wenn wir uns selbst verändern, verändert sich die Welt. Die Kunst erinnert uns daran, dass wir das können. Daran, und dass wir vernetzt sind darin. Sie zeigt die Vernetzbarkeit des Seins. Wir können und sollten dieses Potential hoch schätzen. – Zu allen Zeiten.

 

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