Forscherins Freuden · Work-Life Balance

Elfe, Elefant, Effizienz (oder: Elternzeiten)

Zu den schönsten, wertvollsten und für einen selbst bereicherndsten Etappen eines Erwachsenenlebens gehört sicherlich, das eigene Kind/ die eigenen Kinder ins Leben zu begleiten. Mein kleiner Sohn ist nun schon drei Jahre alt, und doch ist er für mich ein tägliches Wunder. Dass er da ist, wie ein Regenbogentornadosong in meinem Alltag, verblüfft mich beinahe minütlich.

“Zu den schönsten, wertvollsten und für einen selbst bereicherndsten Etappen eines Erwachsenenlebens gehört sicherlich, das eigene Kind/ die eigenen Kinder ins Leben zu begleiten. “

Es ist eine mit vielen Wertungen und Bewertungen aufgeladene Situation in diesem Land, Mutter UND berufstätig zu sein. Ich bin, wie Ihr wisst, Wissenschaftlerin qua Profession, und fand es vor der Geburt meines Sohnes immer sehr großzügig von allen Fördereinrichtungen wie DFG oder ERC, dass sie für jedes Kind im Lebenslauf vornehmlich weiblicher Wissenschaftlerinnen zwei Jahre anrechneten. Konkret bedeutet das, dass wenn ich eigentlich für eine Förderlinie biographisch zu alt bin, ich aber ein Kind habe, ich mich zwei Jahre “akademisch jünger” rechnen kann. Das klingt vielleicht erst einmal bizarr, aber retrospektiv verstehe ich, was damit gemeint ist. Denn man verliert etwa die Publikations-Performance, die Konferenz-Präsenz, den akademischen Aktivismus von zwei Jahren, wenn man eine Mutter in der Wissenschaft ist. Ich habe mich immer auch dafür eingesetzt, dass Personen, die ihre kranken oder pflegebedürftigen Eltern pflegen (so wie das bei mir vor meiner Mutterschaft der Fall war), die gleichen “Zeit-Gutschriften” bekommen – leider ohne Erfolg.

Ich bin selbst ein Kind stets arbeitender Eltern. Meine Mutter kenne ich nur als arbeitende Frau. Sie schlief manchmal am Tisch ein, weil sie so müde war. Ich schätze sie für ihren Fleiß, ihre Ausdauer –, habe mich aber im Fall meiner Elternschaft damals sehr bewusst dafür entschieden, die ersten drei Lebensjahre mein Kind nicht in eine fremde Obhut zu geben, sondern mich mit dem Vater des Kindes so zu arrangieren, dass wir beide arbeiten UND für das Kind da sein konnten. Das war ein ziemlicher Spagat, hat Augenringe in den schönsten Farben und Formationen und andere Alterungsprozesse vom Feinsten zu Tage befördert, aber wir haben es nicht eine Sekunde bereut.

Wieviele Bemerkungen ich mir anhören musste, weil wir das Kind nicht in eine Krippe gegeben haben. Ein Leben mit Kind ohne Kita? “Dass Ihr Euch das traut?!?!”, sagten Leute ungefragt. In diesem Land haben die Leute immer eine Meinung über die Dinge – und über Dich, ob Du willst oder nicht. Wir sahen unser Kind. Unser Geschenk. Unser Fokus.

Ich weiß aber, wie die Kommentare gemeint waren. Wohl wollend, basierend auf einem früheren Ich, das ihnen vertrauter war. Und möglicherweise auch aus einer eigenen Angst oder einem Versäumnis heraus.

Schöne und harte Jahre.

Retrospektiv bin ich erstaunt, wie viel ich dennoch zustande gebracht habe. Das ist sicherlich der Lust am Forschen, Schreiben, Betreuen, Lehren zuzuschreiben, und gleichzeitig dem hardcore Training der vergangenen Jahrzehnte, den Routinen im Job, Video-Calls! –, die ermöglicht haben, dass nicht ganz so viele “Lücken” entstanden sind. Lücken im Lebenslauf. What? Was ist das schon: eine Lücke, die dadurch entsteht, dass sie mit neuem Leben übervoll ist? Beg your pardon? Noch so ein Missverständnis. Was für ein Käse; wer sagt denn, was eine Lücke ist?

Wie immer kommt es auf die Perspektive an.

Seit zwei Wochen geht mein Sohn begeistert und voller täglicher Vorfreude in den Kindergarten, und, was soll ich sagen, es ist unglaublich, wieviel Zeit sich dadurch zusätzlich ergibt. Die Morgenstunden bis zum frühen Nachmittag sind komplett ungestört, und ich habe manchmal in den ersten Stunden des Tages so viel geschafft, wie früher, vor dem Kind, in zwei Tagen. Das stimmt mich froh – und nachdenklich – , und lässt mich an die beliebten Konzepte von Effizienz und Effektivität denken. Bin ich effizienter, wenn ich Mutter bin, weil ich weiß, wie kostbar eine Stunde am Schreibtisch sein kann, und daher dann auch nur Schreibtisch-Arbeit mache? Bin ich effektiver? What’s the difference?

Ich habe ein bisschen recherchiert und finde diesen kurzen Differenzierungsvorschlag zwischen Effizienz und Effektivität besonders einleuchtend:

“Effektiv arbeite ich dann, wenn ich etwas mache, das zum gewünschten Ergebnis führt (Die richtigen Dinge tun).

Effizient arbeite ich, wenn ich das gewünschte Ergebnis mit geringem Aufwand erreiche (Die Dinge richtig tun)”.

Demzufolge bin ich also sowohl effektiv wie effizient, weil ich durch meine Rolle als Mutter die Zeit anders zu schätzen weiß. Ich tue die richtigen Dinge und ich tue die Dinge richtig. Wobei “richtig” dann aber auch nur wieder eine Wertung auf der Basis einer Norm (wer schreibt sie vor?). ..Und doch mag ich ohne Umschweife und ohne schlechtes Gewissen diesen Befund unterschreiben, für beide Rollen: Wissenschaftlerin und Mutter.

Wenn ich in 6 Stunden mehr schaffe als in 10, weil ich der Zeit eine andere Qualität und Dichte beimesse, ist viel gewonnen. Wie oft habe ich früher einen Arbeitstag vertändelt, weil er gespickt war mit viel zu langen Meetings, Pausengesprächen, Ablenkungen, zu viel e-mail-Verkehr? An manchen Tagen war ich locker von 7 bis 22 Uhr mit der Arbeit befasst. Ich hatte ja auch sonst nichts zu tun. Aber was war der Netto-Ertrag? Wie effektiv, wie effizient habe ich wirklich gewirkt?

Diskurs imKindergarten, Disco am Schreibtisch (oder war’s andersrum?)

Ich finde es beeindruckend, was Frauen / Mütter in dieser Gesellschaft zu leisten im Stande sind. Wie viele andere Mütter switche ich in Nullkommanix von Gutachten zu Kuchenmachen, von Theorie zu Theater, von Diskurs zu Disco, von Foucault zu Feuerwehrauto, von Zoom zu “Bumm!”, von Eklatant zu Elefant, von Elfenstaub zu Effizienz. Und doch haben wir Mütter im Berufsleben oft einen so schlechten Stand, werden schlechter bezahlt, werden je nach Lebensphase weniger gern eingestellt, man traut uns nichts zu. Mutterschutz? Ist ja wie Urlaub! Elternzeit ? Ist Elfenzeit. Enjoy.

Was ist ein Lebenslauf auf dem Papier, wenn das Leben in den “Lücken” die schönsten Momente des Lebens erwirkt? Wer setzt den Maßstab? Wer bestimmt die Skala?

Mich beschäftigen diese Fragen sehr, daher stelle ich sie hier – in all ihrer Kürze –, zur Disposition und freue mich über Kommentare.

Wann immer Ihr Zeit findet 😉

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